Samstag, 16. April 2011

Mount Meru - Angkor Wat in Kambodscha

Ich bin in Siem Reap, Kambodscha, mitten in der großen Tempel-Ruinenstadt namens Angkor. Es war ein verflucht hartes Brot, hierherzukommen, wenngleich es sich schon jetzt absolut gelohnt hat. 

Meine Anreisebeschreibung: um 5.30am auf Ko Chang Aufstehen, fertig packen, um 6.30am in den Mini-Bus. Anschließend letztes ungewolltes Sightseeing der gesamten insel, um die diversen anderen Mitreisenden abzuholen. Natürlich war ich der erste. Psychopatische Todeskommando-Killerfahrt über Stock und Stein, der Fahrer befürchtet, die Fähre nicht mehr zu bekommen. Recht hat er. Ich ärgere mich, denn ich hätte locker 1 1/2 Stunden länger schlafen, dann in aller Ruhe ein exklusives Taxi nehmen können für ein paar Euro und hätte die Fähre erreicht. Also dann eben eine Fähre später: Überfahrt. Weiterfahrt. Pause. Weiterfahrt. Pause. Es keimt eine Ahnung: Das Unternehmen erhält eine Provision von den Raststätten. Weiterfahrt. Lange Spezialpause: Wir bekommen den ersten Schwung Papiere zur Beantragung der Visa, müssen alle persönlichen Daten zu unserer Herkunft und unserem Verbleib in Kambodscha ausfüllen (#1), ein Passbild abgeben und dürfen kräftig löhnen. Weiterfahrt: Poipen, Grenze. Ab jetzt heißt es: Schwitzen! Rucksack schultern, Kameratasche, Tasche Nummer zwei und Stativ umgehängt, Sherpa-Assoziationen glimmen auf im geplagten Hirn. Zu Fuß bis vor den Ausreiseschalter: Formulare wieder komplett ausfüllen (#2), zweifache Ausführung (#3). Ausreisen. Warten. Über das Niemandsland in der prallen Sonne latschen, Schwitzen, Dampfen und Stinken. Warten. Einreise-Formulare ausfüllen (#4). Warten. Einreiseschalter. Latschen. Zubringer-Bus besteigen: Endlich Aircon! Ankunft beim großen Touristen-Bus-Terminal. Warten. Besteigen des Busses nach Siem Reap. Pause. Weiterfahrt. Pause (diesmal ein paar Kilometer vor Siem Reap - JA, es ist wieder ein Scam!). Ankunft am Busbahnhof gegen 7 Uhr abends, versprochen war 5 Uhr. Tuctuc-Fahrt 2 Mal durch das Zentrum, denn im ersten Hotel gabs keine freien Zimmer... ANKUNFT! Budallagott sei Dank!

Debriefing. Strecke: 400km. Dauer: 13 Stunden. Durchschnittsgeschwindigkeit: 30 km/h. Geschätzte Dauer nach Google: 6,5 Stunden. Google weiß NICHT alles. Aber immerhin, ich bin angekommen, mein Hotelzimmer ist sehr schön, hat ein Traumbett, Stuck, Aircon, Fernseher, Kühlschrank und Badewanne mit warmem Wasser (!!!) UND einen Pool. Ich bin äußerst froh, hier zu sein, denke allerdings über einen Rück-Flug nach Bangkok nach... 

Erster Eindruck: Die Menschen wollen einen wie gewöhnlich abrippen, aber sind äußerst freundlich dabei, daher dürfen sie mein Geld in Maßen haben zur allseitigen Befriedung und Befriedigung, Kompensation des schlechten Gewissens und Entwicklungshilfe. Kleiner Tipp: wenn Dich eine Straßenhändlerin nach Deinem Namen fragt, dann frag sie nach ihrem, merk ihn Dir tatsächlich, kaufe nix, komme später wieder und rufe sie schon 5 Meter bevor sie Dich gesehen hat begeistert beim Namen an, während sie Deinen vergessen hat, obgleich sie Dir ob seines wundervollen Klangs vorher gehuldigt hat. Dann verspotte sie liebevoll und erhalte so ein Superschnäppchen aufgrund sympathiebedingter Alleinstellungsmerkmale. Das erzeugt Erheiterung allerseits, fördert Kontakt, spart Geld, bringt Textilien.

Ohne all zu sehr belehren zu wollen möchte ich Euch jetzt gern erzählen, was hier was ist und ein wenig über Angkor erzählen, weil ich einfach so begeistert bin. Seit 2004 will ich nach Angkor, es hat nie geklappt, jetzt bin ich hier! Wenn Ihr's schon kennt: Entweder überlesen oder als Genusserinnerung trotzdem lesen! Siem Reap ist eine moderne, aufstrebende kambodschanische Stadt mit unglaublicher Dynamik. Ihr Name könnte vom Klang her fast Englisch sein und bedeutet tatsächlich "Siamesen besiegt". Ein recht provokanter Name, so als würde Waterloo heute "Froschfresser verkloppt" oder wasauchimmerdasaufbelgischbedeutet heißen. Ironie der Geschichte: die Stadt fiel immer wieder in siamesische Hände zurück, da konnten also wiederum die Thais lachen. Naja, HEUTE ist das hier alles Kambodscha, wer also zuletzt lacht... :-)

Siem Reap liegt auf dem Gelände des historischen Angkor, was wiederum idealtypisch "Stadt" bedeutet, verstanden als die" Stadt aller Städte". Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Angkor eine Million Einwohner (!!!) hatte zu einer Zeit, als London mit 50.000 Einwohnern ein jämmerliches Kaff darstellte, aber davon ausging, der Nabel der Welt zu sein und seine jämmerlichen Klimper-Klapper-Ritterchen in heilige Kriege schickte... Angeblich hatte Angkor insgesamt die Fläche des modernen Berlin. Denkt man an den Aufwand und die Infrastruktur, die heute benötigt werden, um eine Stadt mit vergleichbarer Bevölkerungszahl am Leben zu erhalten, dann kann man sich gar nicht genug darüber wundern, dass dies mit dem vorhandenen technischen Entwicklungsstand überhaupt möglich war. Zum Vergleich: Das Weltreich Rom mit seiner gigantischen europaweiten Infrastruktur hatte in der Spätantike die maximale Bevölkerungszahl von 1,5 Millionen Einwohnern. Den Aufwand zur Versorgung von Angkor verdeutlichen seine zwei gigantischen Wasser-Reservoirs. Das westliche ist 8 mal 2,3 Kilometer groß, das östliche 7,1 mal 1,8 Kilometer. Sie sind künstlich, könnt Ihr Euch das vorstellen? Große künstliche Seen im völligen Flachland, umgeben von verzierten Steinmauern, die Jahrhundert für Jahrhundert tiefer im Sand versinken. Ein unfassbares Beispiel für den Umsetzungswillen dieser Zivilisation, bei uns wütete derweil die Pest, weil die Menschen im Dreck dahinsiechten. Noch nach 1000 Jahren baden bis heute - besonders beim Sonkran Wasserfest - die Khmer-Kinder im See, am Ufer werden Picnics abgehalten, das Leben pulsiert wie eh und je.

Der bekanntere Ausdruck Angkor Wat bezeichnet "nur" eine der unzähligen Tempelruinen, die auf dem riesigen Areal der ehemaligen Stadt liegen, im Vergleich zu der das aufstrebende Siem Reap noch immer ein Dorf ist. Wat bedeutet Tempel, es handelt sich also um DEN Tempel von Angkor. Er ist ein architektonisches Symbol für den Berg Meru, Hindu-Pendant zum Olymp, dem spirituellen Zentrum der Welt und Ort, an dem die Götter wohnen. Das macht auch Sinn, denn die Könige der damaligen Zeit haben sich als Gottkönige ähnlich wie die Pharaonen feiern lassen. Die kulturellen Wurzeln der Khmer liegen in Indien, daher handelt es sich bei Angkor um Hindu-Tempel, allerdings gab es auch eine buddhistische Periode, wie ja auch in Indien. 

Wer es damals geschafft hat, eine Millionenstadt zu organisieren, der hat auch beim Tempelbau nicht gespart: Angkor Wat ist wirklich die Mutter aller Tempel. Wie soll man sie ohne all zu ausufernde Attribute beschreiben...? Also zu aller erst ist es der größte Tempelkomplex der Welt. Überlegt Euch, was das bedeutet, denn die Welt ist groß, und der Petersdom zum Beispiel auch. Am deutlichsten sind vielleicht die Außenmaße: Angkor Wat ist umgeben von einem rechteckigen Wassergraben mit den Maßen 1,5km mal 1,3km und 190 Meter Breite. Das entspricht einer Fläche von 200 Hektar und einem langen Spaziergang, während man bei Sonnenaufgang langsam mit den zahlreichen Pilgern des neuen Jahrtausend, uns Touristen, über einen steinernen Damm staunend auf das Areal zuschreitet! Bei der Gelegenheit will ich selbstlobend bemerken, dass ich nach dem Hardcore-Reisetag gestern trotzdem um 4 Uhr aufgestanden bin und daher unter den ersten war, die sich gestern auf den Weg machten! Das war heftig, denn ich war vorgestern erst um 12 im Bett. Fan-Post bitte ohne Zögern losschicken.

Innerhalb des Grabens liegt eine Anlage mit 3 Ebenen, die äußere Mauer hat die Maße 1025m mal 802m (82 Hektar). Das glaube ich gern, denn ich spüre die Maße heute in den Beinen. Ich wollte mich der ganzen Sache genussvoll und langsam annähern und bin daher immer erst an der Außenmauer entlang, bevor ich eine Ebene weiter nach innen gestiegen bin. Man steht also vor der Mauer, dann besteigt man die zweite Ebene, dann die dritte, von dort ragt der zentrale Turm schließlich bis 65 Meter über die Basishöhe. Als ich schließlich im Allerheiligsten, im absoluten Zentrum der Anlage ankam (genauer gesagt in einer der vier Nischen in alle Himmelsrichtungen) war ich platt und mir stand einfach nur der Mund offen angesichts des Eindrucks, den diese langsame Annäherung zum "Zentrum der Welt" auf mich machte. Zu seiner Zeit muss die Anlage absolut und völlig umwerfend gigantomanisch gewesen sein. Was wir heute bestaunen, ist nur ein verfallener Schatten dessen, so als würde man unter der eingestürzten Kuppel des leeren Petersdoms herumkriechen, der vorher komplett ausgeplündert wurde. Es beschlich mich ein ehrfurchtsvolles schlechtes Gewissen, wie ich so als dummer Tourist in den dunklen Gängen herumgaffte, die doch nie für die Augen von Normalsterblichen bestimmt waren. Jedes Maß, jede Statue, jedes Relief, jede Proportion hat eine symbolische astronimisch/astrologische und/oder spirituelle Bedeutung, der ganze Tempel ist eine einzige riesige kulturelle Kommunikation mit spirituellem Bezug auf den Hinduismus und historischem Bezug auf seine Erbauer - die ich gerade einmal erahne. Immerhin erfüllt vom Wissen, dass ich nichts weiß, schleiche ich durch die Flure und fühle mich dabei wie ein Trailer-Park-Ami, der sich aus Versehen ins Museum für moderne Kunst verirrt hat. Am wenig schüchternen Kinderzusammentreibe-Brüllen einer aufgetakelten russischen Oligarchen-Mama inmitten des heiligsten Allerheiligtums ("Nataaaschaaa, DMIIITRYYY, PrzewalskipferdblaBLAAAAAAA! NAAATASCHAAAAAA...") erkenne ich, dass ich mich mit dieser Einstellung immerhin schmeichelhaft von der Masse abhebe und nehme mir spontan Zeit, ein wenig den modernen Menschen zu begutachten, der ich nur zum Teil bin, während dieser mich ebenfalls böse ansieht und vermutlich verachtet, weil ich weder Prada-Brille, noch frischgebleichte weiße Baumwollhose, noch Strohhut trage. 

Anschließend trottete ich zu meinem für den Tag gemieteten Tuctuc zurück, dessen Fahrer selig sabbernd auf den Kissen döste und bereute ein wenig, mich derart finanziell verpflichtet zu haben. Es war kurz vor 10, ich war über 4 Stunden herumgewandert, schon nassgeschwitzt, todmüde und fühlte mich so langsam nach Feierabend, Pool und dem lokalen Bier. Dennoch siegten Geiz und Neugierde, also wies ich meinen freundlich-verschlafenen Fahrer an ("Hühott, wohlan denn, Kutscher!"), zur Umgehung der feiertagsbedingten Songkran-Touristenscharen, die tausendeweise um meine Füße wuselten, einen abgelegeneren Tempel anzusteuern.

Es folgte eine ca. einstündige Holperfahrt, deren gnädiger Fahrtwind mein T-Shirt trocknete, welches beim anschließenden einstündigen Steilanstieg zu einem Wasserfall bei schönster Mittagshitze wieder den feuchten Weg all meiner Reise-Shirts ging. Unterwegs gabs den spektakulären Kampf einer grünen Ringelschlange gegen einen Riesen-Gecko zu bestaunen und überdies viele mitleidig-spöttische Blicke von vollbekleideten Asiaten ob des tropfschwitzenden Langnasers zu erdulden, der sich halbnackt doch ungeachtet dessen jämmerlich keuchend den Berg hoch schleppte. Die erhoffte Kühle des dort sprudelnden Bergbaches blieb leider aus, denn selbiger war völlig ausgetrocknet, dafür wartete er mit direkt ins Flussbett eingemeißelten Bas-Reliefs umgeben von wilder Dschungel-Natur auf, die Dank des nicht vorhandenen Wasserstandes bestens sichtbar waren (für Kenner: = Kbal Spean). Weil meine Gestalt noch nicht jämmerlich genug war riss just im Augenblick meiner Ankunft der Halter eines meiner wunderbar günstig erstandenen Flipflops (made in Thailand) und hinterließ mich barfußschlammwatschelnd. 

Anschließend führt mich ein Führer das steile Flussbett entlang, überstieg mit mir alle Absperrungen und brachte mich so in den Genuss von Ansichten, die dem touristischen Auge sonst verborgen bleiben, um sich ein freiwillig saftiges Trinkgeld von mir abzuholen und mir strahlend nachzuwinken. Nach dem äußerst hornhautfördernden Abstieg über steile Felsen und Wurzelwerk begrüßte ich im Outfit eines Dschungelcamp-Survivors mit Schlamm bis in die Kniekehlen äußerst begeistert die liebe Lie (siehe oben), kaufte ihr Flipflops, ein frisches T-Shirt und eine schnell geexte 1,5l-Wasserflasche für zusammen 5 USD ab, ließ mir noch (ja, tatsächlich) die Füße waschen und mich dann zu den Tempeln von Banteay Srei karren.

Diese sind bei vergleichbar geringen Ausmaßen dennoch zurecht für ihre exquisiten, detailverliebten Reliefs bekannt, die zum Teil schon mehr als Skulpturen gelten sollten, da sie tief und plastisch in den rotlila Sandstein gehauen wurden. Auch wenn ich mir durchaus dessen bewusst war, dass diese wunderwunderschön sind und ich einige tolle Fotos schießen konnte, wollte keine große Begeisterung mehr in mir aufkommen, denn ich war völlig erschöpft und schwitzte schon wieder wie ein angestochenes Schwein mein neues Cambodia-T-Shirt voll. 

Ja, ich gestehe! Ich schwitze und rieche nach Mann! Das ist der markante Duft des Nordens, der Euch da entgegenschlägt wie edelstes Büffelsekret! Doch schäme ich mich indessen nicht! Mein kältegestählter Leib wurde von namenlosen nordischen Gottheiten für montane Extrembedingungen ausgelegt! Oder für die Drachenboot-Überfahrt von Norwegen über Island nach Grönland! Im Winter! Was wisst Ihr denn von Eisbergen! Wollen doch mal sehen, wer zuletzt lacht, wenn wir uns auf halbem Weg zum Mont Blanc begegnen, Du als 50-Kilo-Tropenausführung mit blaugefrorenen Lippen, ich mit 85 Kilo und zentimeterlangen Eiszapfen im wilden Zottelbart, die bei meinem thorgleich dröhnenden Lachen unter roter gutdurchbluteter Nase klimpernd aneinanderklingeln! Wirst schon sehen!

Anschließend - es war mittlerweile 16 Uhr, ich selbst seit 12 Stunden wach und seit 11 auf den Beinen - karrte mich mein lieber Fahrer in eine komplett auf Eisschrankniveau gekühlte Monster-Mall in Siem Reap, in der ich mich mit wohlgefälligen Konsumgütern ausstattete, um mich dann ermüdungsgemäß leicht desorientiert in meinem Hotel absetzen zu lassen. Angkor Wat im romantischen Licht des Sonnenuntergangs? Nix da! Mich gelüstete nach televisionärer Unterhaltung, Unterkühlung des Hotelzimmers auf 18 Grad, um mich bibbernd von lauem Badewannenwasser bei Kerzenschein und guter Literatur wieder aufwärmen zu lassen. Ein ähnlich dekadentes Programm schwebte mir auch dieses Morgens vor und ich setzte es in vollständiger Ausblendung kulturellen Entdeckergeists aber dafür chaiseloungeartiger Haltung im Liegestuhl am Pool in die Tat um. Dies brachte mir erstens viel Zeit zum Lesen sowie Erholen, zweitens zum Bearbeiten einiger der 275 Fotos, die ich gestern geschossen hatte und drittens genug Zeit, diesen ellenlangen Monsterpost zu verfassen, den ich nun mit einer guten Hotelzimmertasse eisgekühlten Chardonnays in der Hand zu Eurer hoffentlich gegebenen Unterhaltung absetzen möchte. Prost!

Mittwoch, 13. April 2011

Songkran Madness

Es ist Sonkran, buddhistisches Neujahr. Zu diesem höchst feierlichen Anlass beträufelt man sich gegenseitig segnend mit kleinen Mengen Wassers, ählich wie bei der Taufe der Christen. Traditionell, sollte ich wohl dazu sagen. Klare Sache, dass die Thais hier aber keine halben Sachen machen. Ähnlich wie man den Hausgeistern neben einem Schüsselchen Reis lieber noch eine Flasche Sprite und gleich noch eine Cola und 50 Räucherstäbchen opfert, so wird auch beim Segnen nichts dem Zufall überlassen. Praktisch sieht dass so aus, dass Horden kreischender Thais zusammen mit riesigen Bottichen auf den Ladeflächen von Pickups durch die Gegend gekarrt werden und alles und jeden mit eimerweise Wasser übergießen.

In den Dörfern wird dies begleitet vom begeisterten Geschrei eines greisen Thai-Showmasters, das durch scheppernde Verstärker gejagt aus überdimensionierten Megaphonen schrillt, was sich in etwa so anhört wie die psychologische Kriegsführungspropaganda der Vietcong im Vietnamkrieg. Die dunklen Gesichter der Wasserwerfer sind mit weißem Kalk oder anderer Schmiere bedeckt wie Aborigines auf dem Kriegspfad. Durch diesen Pfuhl des blanken Horrors musste ich heute morgen zwei Mal mit dem Motorbike durchfahren, also insgesamt 4 Mal die Strecke, wurde von allen Seiten mit Wasserpistolen und Supersoakers beschossen, von Kübeln durchnässt, die mir frontal mit lautem SPLASH ins Gesicht klatschten, sie sitzen in den Bäumen, am Straßenrand, schwer bewaffnet hinten auf Motorrädern, die an Dir vorbeirasen, und alle segnen Dich in einem Maß, dass Dir Stuttgart 21 wie ein Spielplatz vorkommt! Apokalypse Now! Naja, Ihr wisst schon, ich übertreibe ein bisschen, aber es geht wirklich ab ohne Ende, der totale Spaß!

Nachdem es in diesem Spiel nur zwei Parteien gibt, nämlich die, die Wasser werfen und die, die beworfen werden, war klar, was für mich zu tun war. Seit Tagen schon hat Khun sich selbst und mich begeistetert und mit leuchtenden Augen auf diesen großen Tag vorbereitet, ich glaube kaum jemand hat mehr Spaß dran als sie, eine wahre Kinderseele. So wusste ich, dass sie ihren eigenen großen Riesen-Bottich oberhalb vom Mangrove an der Straße vorbereiten und dort die Vorbeifahrenden zusammen mit den anderen Kollegen aus dem Mangrove "empfangen" wollte. Klar, da war ich mit am Start.

Und so hab ich die letzten 3 Stunden mit ausuferndem Wasserwerfen verbracht. Könnt Ihr Euch vorstellen, was es für eine diebische Freude bereitet, wenn ein Inseltaxi vorbeifährt und man mit einem kompletten Eimer eiskalten Wassers GENAU die in Fahrtrichtung gelegene kleine Luftluke des engen und vollbesetzten Pferches trifft, der hinten auf dem Pickup angebracht ist. Der Effekt ist in etwa so, als hätte man eine Granate reingeworfen, die Kiste fährt vielleicht 30 km/h und das Wasser splasht daher volle Kanne (im wahrsten Sinne... :-) und heftig spritzend in den nichtsahnenden Innenraum, der nämlich davon ausgeht, durch Geschlossenheit zu den Seiten wassersicher zu sein. Muuuharharhar! Süße Schreie, erfüllt meine Ohren... Oh und die Thais sind ja so herrlich schadenfroh, allen voran Khun mit kalkverschmiertem Gesicht, Zöpfen und Schirmmütze. Interessantes Detail: Ihr glaubt doch nicht, das Motorradpolizisten sicher seien? Im Gegenteil, durch ihre wichtige Rolle in der Gesellschaft und ihren gefährlichen Job müssen diese für das neue Jahr natürlich mit besonders intensiver Segnung bedacht werden. Hey was haben wir gelacht, ein Polizist in voller Montur wie Robocop, triefend von oben bis unten auf seiner Maschine, und lacht auch noch und sagt Danke!

Auch großartig: ernstzunehmende Herausforderungen, denn nach dem 20. Motorbike hintereinander, das man zu fünft, jeder mit nem Eimer Wasser, vollkommen durchtränkt hat, muss mal was Neues her. zum Beispiel einer der "Wasserpanzer", die ich vorhin schon beschrieben habe, die Pickups überquellend voller durchgeknallter Thais, die so lange vor Deinem Wasser-Fort stehen bleiben, bis wirklich alle von Kopf bis Fuß totally soaked sind. Hey, das hat so was von Spaß gemacht. Wenn es nicht tödlich enden würde, dann würde ich das bei uns gleich auch einführen an Neujahr...
Ich hab es riskiert und auch einige Fotos geschossen, auch wenn's meiner Kamera nicht gut getan hat, die zweite Hälfte der Bilder ist komplett milchig, da mir wohl zwischendurch das Objektiv beschlagen ist, ich hoffe das geht wieder weg.

Songkran also. Morgen könnte für mich der Spaß dennoch schnell zum Problem werden... Schon jetzt ist es alles andere als einfach, IRGENDETWAS organisiert zu kriegen, denn egal was Du dabei hast, Du musst davon ausgehen, dass es durchtränkt wird. Plastiktüten sind mein bester Freund. Ausgerechnet heute hatte ich dann ne Menge zu tun, musste meine Wäsche noch Waschen lassen, ins Travel Office, zum ATM. Daher bin ich x-mal durchs Dorf gekommen, ein kleiner Thai-Junge hat sich schon kaputt gelacht, wenn er mich nur sah und obwohl ich schon pitschenass war hat er es sich nicht nehmen lassen, mir jedes Mal wieder seinen Eimer über den Kopf zu leeren. Aber ich habs geschafft, morgen gehts endlich nach Siem Reap. Obwohl es mir sehr leid tut, hier weg zu müssen, hätte ich mehr Zeit würde ich immer noch bleiben, aber ich will auf keinen Fall Angkor verpassen und brauche noch ein bisschen Zeit dafür übrig. Ich hoffe nur, es kommt nicht irgendein Irrer morgen früh um 7 auf die Idee, mein Taxi zielsicher mit Wasser zu bewerfen, das fände ich wirklich überhaupt nicht lustig! ;-)