Dienstag, 12. April 2011

Von der Wildnis, menschlichen und tierischen Schlangen und ganz viel tollen Menschen

Was gibt's Neues? Die Soap hat sich geklärt, Little Buddha ist verschwunden, vermutlich zum Canon-Foto-Shooting in den Dschungel, Yin ist immer noch weg, hat aber inzwischen angerufen, ist also offensichtlich noch am Leben. Die Stimmung ist wieder hervorragend und daher hatte ich beschlossen, meinen Geburtstag noch hier zu verbringen. Kam mir zu trostlos vor, ausgerechnet an meinem Geburtstag unter Fremden zu sein.

Wie lief das also? Ich hab länger nix mehr geschrieben, muss etwas ausholen. Am Geburtstagsvorabend war ich ziemlich platt von einer langen Motorbike-Fahrt über die Insel und ein paar Stunden Wanderung durch den Dschungel zu einem Wasserfall im Norden der Insel - Maniac, Du erinnerst Dich an unsere Wanderung in Pai damals? Ungefähr so, nur allein, steiler, dafür nicht ganz so weit und mit viel weniger Wasser im Fluss. Aufregend ist das richtige Wort für diese Aktion! Etwas mulmig war mir schon zumute, als ich unterwegs plötzlich sehr spät, nämlich erst einen Meter vor mir eine ca. 1 Meter lange Wurzel-Camouflage-Schlange sich über den wurzelbewucherten Waldbogen bewegen sah. Plötzlich hab ich mich erinnert, wie ich vor einigen Tagen Little Buddha beim Paddeln nach Schlangen auf der Insel gefragt habe, und er lakonisch meinte: "Many!". Auf die Frage, ob die denn wohl etwa giftig seien, hat er ganz einfach nur - gelacht. Kein gutes Omen schien mir dies, während sich die braune Schlange in Bissentfernung vor meinen Flipflops im Unterholz verzog. Meine Stimmung besserte sich aber schlagartig, als mir auf dem Rückweg ein nettes deutsches Paaar entgegenkam, das auf der gleichen Strecke ebenfalls wieder zurück kommen musste und mir versprach, mich gegebenenfalls auch mit Schaum vor dem Mund wieder ins Tal zu schleifen.

Ich muss echt zugeben: wir Westler (oder vielleicht ich?) neigen dazu, die Wildnis zu unterschätzen, weil's bei uns einfach keine echte gibt und sogar vereinzelte wohlmeinende Bären, die nach Jahrhunderten versuchen, das biologische Gleichgewicht unserer Bergziegen wieder in den Griff zu kriegen, kaltblütig von bayerischen Politikern abgeknallt werden. Naja, Ihr versteht schon.

Christine (eine "Freundin des Hauses", kommt aus England, lebt seit 6 Jahren hier) hat heute eine glücklicherweise saulustige Geschichte erzählt von einem Engländer, den sie in Laos kennengelernt hat, als dieser mit nur einem Flipflop, einer Short und einem T-Shirt bekleidet auf das Schiff stieg, mit dem sie gerade unterwegs war. Statt Haut hatte er Stiche, meinte sie, er war totenblass, zerrissen und schmutzig und offensichtlich in ernsthaften Schwierigkeiten gewesen. Auf die Frage, was ihm denn geschehen sei, antwortete er anfangs nur "I don't wanna talk about it...". Als er dann doch herausrückte stellte sich die Geschichte so dar, dass er einen "kleinen Ausflug" in den Dschungel unternehmen wollte entgegen aller Warnhinweise, dass dies ohne Guide wirklich gefährlich sei. Er bekam als Ausgleich dafür von den Laoten eine hervorragende Wegbeschreibung in der Art "walk 1 hour, then cross 2 rivers, then go to the right" und fühlte sich offenbar gewappnet. Als er sich gerade gewundert hatte, dass er nach 1 Stunde immer noch keinen Fluss erreicht hatte - latschte er in ein Nest von fiesen Wespen oder Hornissen, um erstens vollkommen verstochen und zweitens nach heillos panischer Flucht völlig orientierungslos zu werden. Er hatte nur ne kleine Flasche Wasser dabei, sonst nichts. Alptraum. Er latschte, latschte und latschte also verstochen wie er war durch den nicht ungefährlichen Dschungel, bis es dunkel war und er ENDLICH in der Ferne Lichter sehen konnte. Er lief also darauf zu und - stand am Ufer des Mekong, die Lichter immer noch locker einen Kilometer entfernt auf der anderen Flusseite in Thailand. Er schlief wo er war im Dreck, wurde pervers von Moskitos verstochen an den Stellen, die noch frei waren. Wenigstens konnte er am nächsten Tag dem Flusslauf folgen, bis er endlich einen Laoten entdeckte. Jetzt muss man wissen, dass die Laoten sehr abergläubisch sind und an Geister, Dämonen und alles mögliche glauben. Dadurch lässt sich nachvollziehen, warum der junge Mann schreiend davonlief, als er den völlig verschwollenen bleichen Mann in zerrissener Kleidung aus dem Dschungel kommen sah, der ein seltsames Kauderwelsch von sich schrie. Die Stelle hat Christine so gut nachgeahmt, dass wir vorhin fast lachend unter dem Tisch lagen. :-) Erst als er ihm ein Weilchen nachgelaufen war und beschwichtigt hatte war das Missverständnis ausgeräumt und er wurde zu eben dem Bootsanleger gebracht, an dem Christine ihn kennenlernte. Krönender Abschluss: als man ihn später irgendwo absetzte hatte er es so eilig, wieder nach Hause zu kommen, dass er mit nur noch einem Flipflop bekleidet ausrutschte und Hals über Kopf in den Uferschlamm fiel, der ihn anschließend zusätzlich zu seiner eh schon traurigen Gestalt komplett bedeckte, was das gesamte Boot zu schreiendem Gelächter motivierte. So ist er dann später wohl in seinem Hotel angekommen, die Blicke hätte ich gern gesehen. Christine meinte, er habe ihr ja schon sehr leid getan, ganz klar, aber sein Anblick und sein offensichtlicher Wunsch, so schnell wie möglich aus diesem Land weg zu kommen müssen so dermaßen lustig gewesen sein, dass die Laoten auf dem Boot noch Kilometer später lachte. Ich persönlich werde jedenfalls darauf achten, in Zukunft wieder etwas mehr Respekt vor dem Dschungel zu haben, denn jedes Jahr sterben hier zahlreiche Menschen, weiß Christine zu erzählen. Das ist wie mit den diversen Stöckelschuhträgerinnen, die jedes Jahr ihrem Kosmetikkoffer hinterher in Allgäuer Bergschluchten abstürzen.

Zurück zu meinem Tag: als ich vorgestern also mit dem Motorbike zurück auf dem Weg nach Hause fuhr erwartete mich der nächste Schock. Ich war gerade dabei, ordentlich Gas zu geben (80 km/h), um ein Inseltaxi zu überholen und zog auf meine Spur zurück, da platzte mein Vorderreifen. Zum Glück - zum GLÜCK! - ging das nicht richtig plötzlich. Es war eher so, dass der Roller plötzlich bei Höchstgeschwindigkeit völlig heftig zu schlingern begann und ich ihn zwar mit Schwierigkeiten, aber immerhin wieder unter Kontrolle bringen konnte. Ich war eh schon stolz auf mich, weil ich den dämlichen Helm trug, aber trotzdem möchte ich nicht wissen, wie ich jetzt aussehen würde, wenn die Sache ein wenig anders gelaufen wäre. Zumal direkt hinter mir das Taxi fuhr (das sind so Pickups die hinten ne Laderampe für das Touri-Vieh haben. Muh.) und ich wenn mein Vorderreifen irgendwie blockiert hätte durchaus unter dessen Reifen hätte landen können. Aber so war das alles recht harmlos und keiner außer mir hat die Sache überhaupt mitbekommen, der Roller schlackerte eben plötzlich wie ein bockiges Pferd, ich hab auf dem Seitenstreifen fast ne Vollbremsung hingelegt und stand. Stressig war die anschließende Organisation, der unnötige Ärger mit dem Vermieter, der mich die ganze Reparatur zahlen lassen wollte unabhängig davon, dass ich mit seinem Drecksteil fast draufgegangen wäre... Ein bisschen viel Aufregung, wenn man eh schon völlig geschafft ist von einem langen Tag, hat mich ziemlich geärgert und das hab ich ihn auch spüren lassen.

Bei der Gelegenheit ist vielleicht wieder ein bisschen Gesellschaftskritik angebracht, denn mehr als das rein Sachliche (es ging um nicht mal 5 Euro...) hat mich die überheblich rassistische Art gepaart mit Paranoia angekotzt, mit der dieser Wicht von einem Mechaniker mich behandelt hat. Da wo der Tourismus seine goldenen Schwingen ausgebreitet hat haben die Thais schon so viele schlechte Erfahrungen mit Farangs gemacht, dass sie Dich zum Teil wie einen Haufen Scheisse behandeln, nur das Schlechteste von Dir erwarten und Dir maximal den Respekt wie einem laufenden Geldbeutel entgegenbringen. Das macht mich erstens sauer auf die Vorurteile der Thais, denn ich hab nichts falsch gemacht und bin denke ich ein recht umgänglicher Mensch, zumindest im Vergleich zu so manchem Gesocks was hier rumhängt. Zweitens und noch mehr nimmt mich das gegen meine Landsleute im weiteren Sinne ein, die langsam aber sicher mit ihrem unangebracht spätkolonialem Verhalten dafür sorgen, dass sich weltweit die Türen schließen, wenn man nur einen Zentimeter weiße Haut sieht.

Aber der Abend war dann wieder sehr schön, ich war ziemlich müde und wollte eigentlich bald ins Bett, bin dann doch noch um 12 mit einem Singha Beer an den Strand runter, hab die kühle Nacht genossen, ein Foto geschossen und einfach auf's Meer raus geschaut. Gestern morgen hat mich dann  Brigitte mit einem Strauß Blumen überrascht und mir wurde ein fürstliches Geburtstagsfrühstück kredenzt, an dem ich mich fast überfressen habe. Dafür hab ich ne ganze Weile gebraucht, wir haben uns wieder lang unterhalten, anschließend bin ich in meinen Bungalow, hab ausgepackt (Danke Mam!), mich gefreut und anschließend ein bisschen gelesen, bevor es mir langweilig wurde und ich wieder mal mit dem Kayak zu einer der Inseln vor der Küste herausgefahren bin. Als ich zurück kam war es schon dunkel, eine unglaubliche Atmosphäre, bei Nacht mit dem Kayak auf dem Meer uterwegs zu sein, was ganz eigenes. Ein Gefühl, als sei man ein hawaiianischer Fischer, der spät in der Nacht mit dem Fang des Tages über das Meer zu seiner Hütte zurück fährt. Passenderweise hab ich mir anschließend den fantastischen Steamed Fish mit viel Ingwer rausgelassen, den es im Mangrove gibt. Überhaupt ein kurzer Kommentar zum Essen im Mangrove: das ist absolut hervorragend, sehr authentisch thailändische Küche mit unheimlich viel frischen Kräutern, die ein Aroma haben, wie man es bei uns mal wieder fast nicht bekommen kann.
Abends saß ich noch ein Weilchen mit den Leuten aus dem Resort zusammen, war dann müde, hab noch ein paar Fotos bearbeitet und bin ins Bett. Alles in allem der entspannteste Geburtstag, an den ich mich überhaupt erinnern kann. Ich hatte schon ein wenig Angst davor, wie es sein würde, weit weg von zu Hause zu sein an diesem Tag. Aber meine Umgebung, die Menschen hier sind so liebevoll, dass man nicht auf die Idee käme, Heimweh zu haben oder sich allein zu fühlen. Und außerdem habe ich so viele Mails und Nachrichten bekommen, dass ich Euch alle ganz nah bei mir spüre und dafür danke ich Euch von Herzen .

Keine Kommentare: